Thomas Anderson, Adonis Archontides, Anne Baumann, Meray Diner,
Gwendolen Dupré, Anastasia Mina, Dicle Ozluses, Andrea Palašti
Kuratiert von Naomi Hennig
Die Ausstellung »Dig Where You Stand» in den Projekträumen uqbar und Kronenboden in der Schwedenstrasse 16 präsentierte Arbeiten von acht KünstlerInnen aus Zypern, Schottland, Serbien und Deutschland. Sie ist das Ergebnis eines Residency-Projekts, dessen TeilnehmerInnen eingeladen wurden, sich mit dem Thema Geschichtsschreibung zu beschäftigen und in den persönlichen und kollektiven Erinnerungen des urbanen Raums in Berlin und darüberhinaus zu graben.
Der Titel geht zurück auf ein Buch des Autors Sven Lindqvist aus dem Jahr 1978, in dem Geschichtsschreibung als emanzipatorische gemeinschaftliche Verantwortung dargestellt wird, als Aufgabe jedes und jeder einzelnen, die Geschichte der eigenen Alltagswelt zu erforschen. Geschichtsschreibung ‚von unten‘ spielte eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Berliner Denkmal- und Gedenkstätten-Landschaft. Erinnerungspolitik und die daraus erwachsenden Debatten über die Repräsentation der Vergangenheit sind Faktoren, die unsere Wahrnehmung der urbanen Geografie beeinflussen. Die Stadt ist ein diskursives, ebenso wie ein zeitliches und räumliches Phänomen. Sie hat eine vertikale Geschichte, einen Untergrund, den es zu erforschen gilt – physisch ebenso wie auf symbolischen Ebenen. Die Erkundung einer Stadt wie Berlin erfolgt also in vielen Richtungen – zwischen verschiedenen Koordinaten auf dem Stadtplan ebenso wie beim Innehalten und Hinhören, durch die offiziellen ebenso wie die unbekannten Geschichten und Erinnerungen, die in den Straßen und Vierteln widerhallen.
Walter Benjamin schrieb: »Erst der erlösten Menschheit ist die Vergangenheit in jedem ihrer Momente zitierbar geworden.« Mit der stetig wachsenden Anzahl digitaler Archivalien und der Masse an verfügbaren Dokumenten scheinen wir – zumindest technisch – diesem Ideal immer näher zu kommen. Doch bleibt die Frage bestehen, in wessen Interesse und mit welchen Zielen Geschichte geschrieben wird. Vielleicht ist es die Vielzahl ‚kleiner‘ Geschichten, die Raum bietet für KünstlerInnen, DichterInnen, FilmemacherInnen, das Ungesagte und das scheinbar Vergessene auszugraben, es vor dem Untergang zu bewahren, um sich der Idee dieser universellen Zitierbarkeit anzunähern. Diese Zitierbarkeit setzt jedoch neue Fähigkeiten voraus: die verfügbaren Informationen kritisch zu reflektieren und in Beziehung zu setzen mit vorherrschenden Narrativen. Denn nur dann ist noch das kleinste mögliche Fragment einer Geschichte wert, wiedererzählt und in Betracht gezogen zu werden, als ein Akt der Humanisierung.
Die Young Artists Residency Berlin findet im Rahmen des EU-geförderten Projekts »Confrontation Through Art: Contemporary Art as an Instrument for Reconciliation in Cyprus« (2014-2017) statt.
Weitere Informationen
www.art-confrontation.com
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