Presse


Text und Foto von Torsten Flüh – Night out @ Berlin, April 2018

Projekt(t)raum für Kunst 

Zum Berlin Gallery Weekend, der Kolonie Wedding, Kollaborationen und Projekträumen 

Macht Kunst Sinn? Oder ist die Kunst heute gänzlich kapitalistischen Marktinteressen verfallen? Arbeitet sie gar den internationalen Immobilienmärkten zu? – Am Potsdamer Platz unter dem Zeltdach von Helmut Jahn hat die Sektmarke Mumm einen „Art Yard“ aufpoppen lassen, um die „Art-Edition 2018“ mit dem Künstler Daniel Egnéus vorzustellen. Korken und Kommerz treffen Kunst. Die Potsdamer Straße gilt als heiß am Gallery Weekend. Nur nichts verpassen! Schnäppchen, Sekt und Schickeria. Die Kolonie Wedding und die Schwedenstraße sind heißer, frecher, jünger. Am Freitagnachmittag um 16:30 Uhr, noch bevor die ersten Sektkorken zur Geschmackskunst knallen, hat COPYRIGHTberlin zu einer Art Künstlergespräch – extra dry – in die Ausstellung Territory mit Arbeiten von Yvon Chabronski und Anaïs Héraud-Louisadat eingeladen.

Ute Lindner und Patrick Huber vom Projektraum COPYRIGHTberlin haben auf ihrer Website und per Newsletter zum Gespräch mit dem Philosophen Ulrich Müller-Schöll und dem Künstler Andreas Wolf, der den Projektraum TOOLBOX betreibt und im Vorstand der Kolonie Wedding, geladen. Gallery Weekend anders. Kata Unger, ebenfalls vom Vorstand der Kolonie, Pablo Hermann vom OKK (Organ Kritischer Kunst), Karen Stuke aus dem Projektraum Kronenboden und Kira Dell, die die derzeitige Ausstellung Territory bei uqbar und COPYRIGHTberlin kuratiert hat, und ihre Mitarbeiterin sind auch gekommen. Eine Art Nachbarschaftsaktionstreffen der Kolonie Wedding. Demnächst unterstützen das Quartiersmanagement Soldiner Straße und die städtische Wohnungsbaugesellschaft degewo eine Aneignung mit Künstlern der Kolonie Wedding in der Rathaus-Galerie Reinickendorf.

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Karen Stuke präsentierte am Freitag im kronenboden ab 19:00 Uhr Die Kraft zu schlafen von Sebastian Diaz Rovaro als Performance und Ausstellung. Der Künstler schläft in einem Bett durchaus glaubwürdig und irritierend. Schläft er wirklich? Träumt er? Wovon träumt er? Er will seine Kunst als Arbeit über menschliche Beziehungen, Interaktionen mit anderen, Träume und dem Bewusstsein verstanden wissen. Das ist gar nicht so einfach. Als sich ein Besucher zu ihm ans Kopfkissen legt, irritiert das vor allem ein kleines Mädchen. Das Publikum weiß ja, dass es hier um Kunst geht. Für die Kunst darf man das machen. In der Wahrnehmung der jungen Besucherin regen sich Irritation und Neugier. Kinder sind immer die besten Beobachter.

Performance und Spiel mit dem Zufall können in der Kunst Situationen schaffen, die sonst nicht vorkommen. An der Grenze von öffentlichem Schlafen als Kraft und „privater“ Ansprache eines Schlafenden kommt es zu Verunsicherungen. Die Einladung auf einer verdeckten Spielkarte, dem Schlafenden ein Wiegenlied zu singen, verunsichert schon ungemein. „Lalelu nur der Mann im Mond …“ Aber soll man das jetzt ernsthaft zu singen beginnen? Ist das nicht viel zu privat? Jemandem ein Wiegenlied zu singen, ist doch schon sehr intim. Das Wiegenlied schafft einen heimlichen Bereich zum Einschlafen.

Hinter einem schwarzen Raumteiler sind eher kleinformatige Aquarelle von Sebastian Diaz Rovaro gehängt. Traumbilder? Badende Paare an Berliner Seen? Vor den Aquarellen sitzen junge Besucher in Kinosesseln und sehen. Was sehen sie? Sie zeigen einander, was sie sehen. Schlafperformance und Traumbilder produzieren auch eine flüchtige Kunst der Bilder. Vielleicht ist gerade das einer der wichtigsten Aufträge von Kunst, ihre Flüchtigkeit, die sich nicht einfach kaufen und besitzen lässt.

Der ganzer Text hier


stadtleben – Mietermagazin der DeGeWo, Ausgabe 1/2018
Text: Silke Lambeck, Fotos Verena Berg
ab Seite 8

PLATZ FÜR KUNST
Sonntagnachmittag im Wedding: Caruso singt.
Laut und kräftig tönt die Stimme des legendären Tenors durch den Raum in Gesundbrunnen. Zwei große Kronleuchter schmücken die Decke, ein roter Teppich bedeckt den Boden des großen Ladenlokals und schafft Wohnzimmeratmosphäre. Der volle Ton aus der hölzernen Musiktruhe mit dem alten Grammofon verblüfft die rund 20 Besucher, die sich zu einem Rundgang durch die „Kolonie Wedding“ getroffen haben und nun den Projektraum „Kronenboden“ der Theaterfotografin Karen Stuke in der Schwedenstraße besuchen. Mit alten Schellackplatten, Briefmarken und langzeitbelichteten Fotos zeichnet sie die Lebensstationen des Sängers nach.
Filme, Vorträge und kulinarische Abende kommen dazu. Nicht nur bei ihr, sondern auch in der „Uqbar“ und im „Copyright“ direkt nebenan. „Die Projekte leben davon, dass hier nicht der Verkauf im Vordergrund steht“, sagt Karen Stuke. „Das gibt uns Freiraum, zwischen den Kunstformen zu experimentieren.“
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Der ganze Text hier


Der Theaterverlag, 10/2017
Ein Meister des 3D: Billy Cowie in Berlin

 


 night out @ berlin, 10/2/2017
Blue Notes zwischen Landschaft und Boudoir – Galeriebesuche und

Aufführungen zwischen Schwedenstraße und Königsallee

Im Projektraum Kronenboden steigt einem gleich der harzige Geruch von Blättern und Baumrinden in die Nase. Installation wäre einfach viel zu nüchtern, um dieses sinnliche Environment zu benennen. Die Ebenen der Wahrnehmung überschneiden sich bei Marta Michalowska derart, dass sich einem die extreme Künstlichkeit eines Zimmers mit kleinen Bildern an der Wand, rundem Tisch mit Spitzendecke und Tischlampe sowie einem Boden von Holzrinden und Blättern bedeckt vor einer großen Leinwand erst auf den zweiten Blick erschließt. Marta Michalowska legt es darauf an, die geradezu surrealen Schnittstellen zwischen einem Spaziergang ihrer Mutter im lichtdurchfluteten Wald und dem Waldboden im Ausstellungsraum offenzulegen. Der Filmwaldboden scheint sich mit den trockenen Blättern, den Holzstämmen und den Holzrinden in eine imaginäre Wohnstube zu verlängern.

Es dauert eine geraume Zeit, um sich im Environment aus Natur, Medien und Kunst zurechtzufinden. WITHOUT legt es regelrecht auf sinnliche Überwältigung an. Bei der Vernissage flackerten Kerzen und ein Gin-Punsch wurde ausgeschenkt. Marta Michalowska ist mit ihrem Environment eine große Erzählerin an der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit. Ängste und Schönheit bedingen sich in WITHOUT. Eine einzelne Frau in einer leeren Umwelt.

Please join us for a walk through a wintery forest in northern Poland. 

A triptych of films by Marta Michalowska, following a solitary woman to a score by British composer Billy Cowie and set in and empty room surrounded by trees and fallen leaves spilling from the screen.

Was im Film mit der Landschaft und dem leeren Haus als Vision einer Klaustrophobie erscheint, wird durch die sinnlichen Überschneidungen mit Geruchs-, Hör-, Geschmacks- und Tastsinn zu einem höchst angenehmen Rausch, als sei er mit der 360-Grad-Kamera für die Virtual Reality-Brille gemacht. Ein Geruchs-, Geschmacks- und Klangkino. Doch man kann eben auch auf die Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Medien wie dem Film und den Blättern auf dem Boden als Bruchstellen achten. Beim längeren Aufenthalt im Environment kann man gar in der Wahrnehmung wechseln. Einerseits lässt sich interessiert auf die künstlichen Bruchstellen zwischen Spitzendecke, Stuhl und Waldboden achten, andererseits kann man sich im nächsten Moment in die Virtual Reality wie in einen Traum hineingleiten lassen.

The work was prompted by the powerful image of a claustrophobic house enveloped in grief with all its mirrors covered by white sheets, preventing a tormented soul endlessly bouncing between them. The image provoked an exploration of death and loss. The triptych is meditation on grief.

Faszinierend ist allerdings, dass die Trauer (grief) mit dem Environment ständig umschlägt in das Angebot eines Genießens. Von offensichtlicher Trauer wendet sich der Betrachter eher ab, wenn er nicht unbedingt mittrauern möchte. Doch bei Marta Michalowska entspringt der Trauer eine zum Genuss verführende Sinnlichkeit dank der medialen Überschneidungen. Das Environment ist nicht nur ein Stillleben oder eine nature morte, in der die Natur zum Bild geworden ist. Vielmehr wird der Raum als Landschaft lebendig. Es lässt sich wie im gemalten Stillleben seit der Renaissance insbesondere bei Joris Hofnaegels Animalia rationalia et Insecta (1575-1580) nicht mehr genau unterscheiden, wie lebendig die nature mort ist. Bei Marta Michalowskas vom internationalen Wapping Project geförderten Environment spielt sich im Hintergrund die Wahrnehmungs- und mediale Darstellungsgeschichte der letzten 450 Jahre von Natur und Kunst ab.  Dr. Torsten Flüh


taz, 18/8/2016
Millennial-Alltag aus Belgrad
Uqbar, Copyright und Kronenboden
Do.–Sa. 14.30–18.30 Uhr, bis 28. 8. 2016 Schwedenstr. 16

Gäste eingeladen haben auch die drei Weddinger Projekträume Copyright , Uqbar und Kronenboden: anlässlich des Project Space Festivals den Belgrader U10 Artspac e. U10 gibt es seit vier Jahren als einen der wenigen Kunsträume der serbischen Hauptstadt überhaupt.

Gegründet von einer Gruppe junger Künstler_innen von der Szene für die Szene, bietet er Künstler_innen am Beginn ihrer Karriere ein Forum. In Berlin präsentieren die Macher von U10 nun sich und ihre Kunst, darunter in Öl gemalter Millen­nial-Alltag von Marija Šević , ein Video von Nemanja Nikolić , das Fluchtszenen aus Hitchcock-Filmen mit jugoslawischer sozialistischer Literatur kombiniert, und fragile Porzellanobjekte von Isidora Krstić


Hürriyet, 2/2011
Esra Carus’tan eşzamanlı iki sergi

Esra Carus'tan eşzamanlı iki sergi

Eserlerinde politika ve toplumsal konulara değinen sanatçı Esra Carus, Alman sanatçı Hildegard Skowasch ile birlikte “Orient- Okzident?” adlı enstalasyon çalışmasını Berlin Kronenboden Gallery’de açtı. Carus ve Skowasch bu sergide doğu ve batı kültürlerinin karşılıklı önyargılarını ve klişelerini sorguluyorlar.

Sanatçının ayrıca Berlin Literaturforum im Brecht Haus’da “Hukuk ve Ahlak Mağdurları” adlı kişisel sergisi de devam ediyor. Sergide Bertold Brecht’in „Mezbahaların Kutsal Johannası“ adlı oyunu üzerinden gerçekleştirdiği enstalasyonla Jeanne D’arc’ı yeniden yorumluyor. Carus’un çalışmaları 27 Mart’a kadar devam edecek.

1968 doğumlu, Mimar Sinan Üniversitesi, Seramik ve Cam Ana Sanat Dalı’ndan 1992 yılında mezun olan sanatçı porselen ve seramikin yanı sıra kesme ya da parçalara ayırma yöntemlerini de kullanıyor.

ÖNYARGILARI YANSITIYOR
“Hukuk ve Ahlak Mağdurları” çalışmasında, Brecht’ın oyununa konu edindiği Fransızların özgürlük ve adalet simgesi Jeanne d’Arc’ı başörtüsü ve hançer gibi İslami simgelerle betimleyen Esra Carus, “Brecht yaşasaydı, bu karakteri Afganistan-Kunduz’da bir canlıbomba- mücahit kadın olarak getirirdi belki önümüze” diyor. Berlinli kuratör Jaana Prüss’ün girişimiyle 2009 yılından beri Hildegard Skowasch ile birlikte çalışan sanatçı “Orient- Okzident?” isimli sergide ise toplumsal önyargı, tarihte ve günümüzde yaşanan karşılaşmalar, yakınlaşmalar ve mesafeler, içten görmeler ve dıştan algılamalar eserlerde konu alınıyor.


tip Berlin 2/2011
Kunstkopf: Hildegard Skowasch

Die Bildhauerin bringt ihre skurrile Figuren-Menagerie unter die Leute.

tip: Du hast demnächst eine Einzelausstellung in Herne, zeigst im Kronenboden deine Arbeiten gemeinsam mit Esra Carus und arbeitest mit den Gruppen Hildegard-Projekt und Puppetmasters. Wo liegt jeweils der Schwerpunkt der Zusammenarbeit?

Hildegard Skowasch: Das Hildegard-Projekt zeigt keine Gruppenausstellungen im herkömmlichen Sinn. Zurzeit sind wir acht Künstler und Gäste, die mit unter­­­­­­schied­­­­­­­­­­lich­s­­­­­­­ten Medien arbeiten. Vor Ort, auf den speziellen Raum bezogen, werden die jeweiligen Arbeiten einmalig zu einer Installation, die individuelle Künstleridentität tritt hinter die Gruppenautorenschaft zurück. Die Puppetmasters sind ein Zusammenschluss von Bildhauerinnen, die sich alle mit dem Thema Figur beschäftigen. Unsere Ausstellungen sollen durch Workshops und Vorträge begleitet werden. Spannend ist, dass wir alle einen anderen kulturellen Hintergrund haben und trotzdem um ein gemeinsames Thema kreisen. Die Ausstellung im Kronenboden ist ein Austausch zwischen mir und der türkischen Künstlerin Esra Carus und wird später auch in Istanbul zu sehen sein.
Fragen/Foto: Constanze Suhr


Neues Deutschland 21/2/2009
Bildfolge eines durchkämpften Lebens

Udo Hesse zeigt seine Fotos von Tanzvisionär Dieter Heitkamp
in der Galerie Kronenboden Von Volkmar Draeger

dieter_heitkamp

Ging es um Zeitgenössischen Tanz, dann war Dieter Heitkamp auf Jahrzehnte die Autorität schlechthin. Tanzfabrik, Deutschlands Urzelle für Bewegungsforschung, und Heitkamp wurden Synonyme. Als sie 1978 in einer alten Kreuzberger Fabriketage gegründet wurde, gehörte Heitkamt zu den Mitinitiatoren. Dort, unter nicht eben luxuriösen Bedingungen, arbeitete und wohnte, stritt und liebte man zusammen-die Tanzfabrik war auch ein alternativer Lebensentwurf mit dem künstlerischen Schaffen als Zentrum.

Bis 1995 war er einer ihrer künstlerischen Leiter, hatte zuvor in Berlin Sport und Biologie, dann auch Bildende Kunst studiert. Als Spezialist für Kontaktimprovisation entwickelte er-meist arbeitsteilig mit ihm seit langem verbundenen Kollegen-18 abendfüllende Produktionen für „seine“ Tanzfabrik: alle anregend. manche gelungen, andere streitbar auf hohem Niveau. Damit wurde Heitkamp so etwas wie der Grandmesser für Qualität im Bereich des Zeitgenössischen Tanzes.
Als diskutierfreudig, von unversiegbarer Energie und unzerstörbarem Glauben an die verändernden Kraft des Zeitgenössischen Tanzes erinnert ihn, wer ihn aus jener Zeit kennt. Seit 2001, nach Jahren des kargen Brotes als freier Choreograph, hat Heitkamp eine Professur für Zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main, stieg zum Direktor eines Fachbereichs, 2005 gar zum Dekan auf. Rastlos bewegt er nun am Main weiter, was er an der Spree begonnen hatte.

Beobachtet hat ihn dabei all die Jahre Udo Hesse, Fotograf und Freund, geboren 1955, nur zwei Jahre älter als sein Modell.
Die Galerie Kronenboden zeigt mit rund 30 teils großformatigen Fotos, schwarz-weiß wie auch farbig, den Choreographen, Privatier und Lebenskünstler Heitkamp, wie ihn Hesses Kamera treffsicher einfängt. Die Schau „posed|exposed“ umfasst den Zeitraum von 1981 bis in die Gegenwart, enthält Portraits ebenso wie Stückaufnahmen und fotografische Inszenierungen.Besonders in ihnen beweist sich, dass Heitkamp seine Tanzfabriklektion der Einheit von Kunst und Leben verinnerlicht hat. Die Ausstellung ist Reminiszens an ein bewegtes Kapitel der Berliner Tanzentwickung am Beispiel eises Protagonisten, Hommage an diesen menschlichen Motor, aus dessen Augen Schalk wie Begeisterung sprühen. Sie ist Bildfolge eines durchkämpften Lebens mit sichtbaren Ermüdungen und Ausdruck für Heitkamps ungebrochene Fantasie, sich selbst und die Dinge um sich fotogen zu arrangieren und so beeindruckende Wirkungen zu erreichen.
Aus dem rebellischen Mittzwanziger von 1981 ist mittlerweile ein seriöser Akademiker mit Brille geworden, dessen verhärmtes Gesicht nicht nur Glück spiegelt., der nach wie vor keiner Konvention entspricht und auch seinen Preis zu zahlen hat. Das mutige Foto einer Hüfte voller Blutergüsse nach der Operation 2008, die Beine in Kompressionsstrümpfen, zeugen davon. Dieter Heitkamp wird auch das nicht aus der Spur des Zeitgenössischen Tanzes tragen.

Bis 7.3., Do.-So. 14-18 Uh, Galerie Kronenboden, Schwedenstr.16, Wedding,
weitere Informationen im Internet unter www.kronenboden.de


Spielplan Heft 12/2008 der Theatergemeinde Berlin

Abrufen, was nicht abzubilden ist

Stuke/Celan

Am Anfang steht eine Zeichnung von Gisèle Celan-Lestrange: schwarze Striche auf weißem Grund. Rencontre. Begegnung. Am Schluss steht dieselbe Zeichnung, nun aber im Negativ. Weiße Striche auf schwarzem Grund. Dazwischen sieben Szenenkomplexe: „Entwürfe“ genannt.

Vor dem jetzt an der Staatsoper uraufgeführten Hölderlin schufen Peter Mussbach und Peter Ruzicka schon einmal eine Dichteroper: CELAN, uraufgeführt 2001 in Dresden, nachgespielt in Mainz, Darmstadt und Köln. Die Mainzer Inszenierung von Gottfried Pilz bezeichnete der Komponist als die gelungenste. In suggestiven Farbfotografien von Karen Stuke kann man sich nun in der Galerie Kronenboden ein Bild von ihr machen.

Die stets frontal abgelichteten Szenen geben sich streng dokumentarisch: als Protokoll einer Inszenierung, das durch ein zusätzlich ausgestelltes Bühnenbild-Modell der zentralen Holocaust-Szene noch unterstützt wird. Die symmetrische Bildregie schon der Bühnenaufführung, die starke, symbolisch aufgeladene Farblichkeit und die Brillanz der Darstellung verleihen den Fotografien über das Dokumentarische hinaus einen hohen ästhetischen Eigenwert.

Der philosophische Überschuss ist bei dieser Oper und ihrer kongenialen Szenierung durch Gottfried Pilz ohnehin gegeben. Es geht um die Frage, ob Kunst nach Auschwitz, Kunst über Auschwitz und das heißt bei Celan in seiner radikalen Konsequenz auch: Leben nach Auschwitz überhaupt möglich ist. Ist nicht jede konkrete Darstellung des Holocaust eine Verharmlosung? Jeder Versuch, den kaltblütigen Massenmord vor den Augen unzähliger Mitwisser, Mittäter, Profiteure zu verstehen oder zu erklären ein Versuch, sich die Bestie, die im Menschen lauert, klein zu reden? Celan konnte sich und andern nicht mehr ohne Grauen ins Gesicht sehen, schrieb Gedichte, die dem Verstehen auswichen und beging Selbstmord.

Ein Regie-Team, das sich mit Ruzicka/Mussbachs Oper auseinandersetzt, steht vor derselben Frage. Achse des Werks ist der 4. Entwurf: Der nicht darstellbare Holocaust als 15-minütiges abstraktes Chorstück auf die Silben Je-Ru-Sa-Lem. Pilz’ in vier Fotografien dokumentierte szenische Lösung: Der Chor steht schwarz gekleidet auf der dunklen Bühne, zehn gelbe, rampenparallel auf dem Boden liegende Leuchtröhren fahren mit der Langsamkeit einer Foltermaschine über die gesamte Dauer des Stücks in den Schnürboden. Ihr Widerschein tastet die Menschen als Schatten, als Fragmente, als Masse, als zerbrechliche Materie ab. Der Holocaust wird nicht abgebildet, aber das Wissen um ihn gewinnt Präsenz.

Ein anderes dieser Bilder, das Bewusstsein bildet, ohne abzubilden ist die Kino-Szene, in der den Deutschen die Filme von der Öffnung der KZs vorgespielt wird, was sie in die Flucht vor dem Grauen und vor sich selbst treibt.

Die CELAN-Ausstellung in der Galerie Kronenboden macht deutlich, warum Kunst – auch die des Theaters und der Fotografie – manchmal abstrakt sein muss. Boris Kehrmann

CELAN. Inszenierung: Gottfried Pilz, Mainz 2003. Fotografiert von Karen Stuke. Bis 16.1.09, Freitags 15-18 Uhr (ohne 26.12.) u. nach Vereinbarung: 0170-80 89 110. Kronenboden, _Schwedenstraße 16, _13357 Berlin Text von Boris Kehmann

 


zitty 28/10/2008

Pulsmesser: Neues von der Berliner Kunstaussenansicht

Zusammen mit den Kunsthallen am Pankeufer ist hier ein kleinteiliges, neues Kunstquartier entstanden. Marie-José Ourtilane etwa organisiert den Projektraum Visite ma tente. Ourtilane kooperiert mit einer Galerie aus Marseille und beherbergt oft Gastkünstler, häufig aus Frankreich. Sie zeigen zumeist vor Ort entstandene Arbeiten.

Die vier Kuratorinnen des Projektraum Uqbar spannen einen weiten Bogen von Filmen über Workshops bis zu traditionellen Einzelausstellungen. Wichtig sind ihnen das Experiment, die Diskussion über aktuelle Tendenzen und der Austausch mit internationalen Künstlern. Individueller planen Ute Lindner und Patrick Huber vom Projektraum Copyright ihre Ausstellungen, mit Installationen, die speziell für den Raum gefertigt werden, aber auch mit Malerei wie der der Französin Marie-Hélène Fabra, die im Oktober zu sehen ist.

„Mich interessiert es, Zeit, die ich nicht beeinflussen kann, in einem Bild festzuhalten“, sagt die Fotografin Karen Stuke vom Projektraum Kronenboden (Foto) über ihre  künstlerische Arbeit. Nach ihrer Ausstellung „Sleeping Sister“ will sie ab Mitte November Fotografien von einem Theaterstück über Paul Celan zeigen: Während der ganzen Aufführung hielt sie die Linse der Kamera geöffnet. Der deutsch dichtende Celan stammte aus Rumänien. Nach einer Odyssee durch Arbeitslager wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris heimisch. Mit diesem Projekt bleibt die  Schwedenstraße ein Knotenpunkt deutscher und französischer Kunst.

Visite ma tente: Schwedenstr. 18b
www.visitematente.com

Kronenboden: Schwedenstr. 16, Tel: 0170/ 80 91 10
www.kronenboden.de

Uqbar: Schwedenstr. 16, Tel: 46 06 91 07
www.projectspace.uqbar-ev.de.

COPYRIGHT: Schwedenstr. 16
www.copyright-projekt.de


opernnetz.de

Gottfried Pilz und Karen Stuke
Kommunikation von Bühnenräumen und Fotografie

Eröffnung 1 Eroffnung2

Berlin-Wedding – Der „Kronenboden“ ist Raum für Kunst und Kommunikation, eine neue Attraktion der Kolonie Wedding.
Gottfried Pilz wird mit seinen kommunikativ-imaginativen Bühnenräumen zum verehrten „Star“ der Vernissage am 29. Februar 2008. Bühnenbilder und Inszenierungen des charismatischen Theatermachers werden in kongenial-komplexen pin-hole-Bildern der kreativen Theater-Fotografin Karen Stuke im sozial-differenzierten Berliner Wedding zum kommunikativen Ereignis.
Hans Griepentrog „weiht“ die Räume in der Schwedenstraße (nahebei die U-Bahn-Station Osloer Straße) ein mit Mozarts „Hallen-Arie“ des Sarastro aus der Zauberflöte – stimmlich voluminös, im Ausdruck überzeugend.
Präsentiert werden Fotografien als Imaginationen von Szene und Idee: die „Seele“ der Bühnenkunst von Gottfried Pilz wird intensiv deutlich, der „Geist“ der Werke Wagners, Offenbachs, Halevys, Schmidts, Strauss’ oder Zemlinsky erlebt durch die Camera Obscura fotografische Resonanz.
Unter den Besuchern der Vernissage finden sich u.a. Günter Krämer, der eigene Regie-Arbeiten optisch-kreativ vermittelt wieder-erkennt und Karan Armstrong, die kongenial-verfremdete Inszenierungen Götz Friedrichs erinnert.

 


opernnetz.de
Gelungener Einstand

eroffnung8 Der Kronenboden ist eröffnet. Mit einer rauschenden Feier und mehr als 100 Gästen ging das neue Kunstprojekt in der Schwedenstraße auf dem Berliner Wedding an den Start.

Kronenboden – so bezeichnet man den Dachboden über dem Zuschauerraum, wohin der Kronleuchter gezogen wird, um die Kerzen zu zünden, zu löschen und den Zuschauern in den höheren Rängen die Sicht auf die Bühne zu ermöglichen. Ein Kunstraum mit Kronleuchter also.

So hat die Theaterfotografin Karen Stuke ihren neuen Kunstraum auf dem Berliner Wedding benannt. Neben Ausstellungen eigener Fotografien oder Bilder anderer Künstler werden hier auch Diskussionsrunden, Musikabende und ähnliche Veranstaltungen stattfinden. Am vergangenen Freitag fand die Eröffnungsfeier statt.

Aus diesem Anlass hat Stuke eine Ausstellung ihrer Fotografien mit der Camera obscura zusammengestellt, die die Bühnenbilder von Gottfried Pilz zum Thema haben. Selbstverständlich war auch der bekannte Bühnenbildner selbst zugegen und erläuterte den interessierten Gästen die Geschichten hinter den Bildern. Günter Krämer, früherer Intendant der städtischen Bühnen Köln und Regisseur, war eigens angereist, um die Fotoausstellung zu bestaunen. „Es ist schon beeindruckend, die selbst inszenierte Oper auf einem Bild zu erleben“, zeigte Krämer sich begeistert. Ebenso wie Gäste von der Kolonie Wedding, einer Künstlervereinigung, waren auch die Opernsänger Karan Armstrong (Sopran) und Barry McDaniel (Bariton) anwesend. Armstrong hatte in der Oper „Mahagonny“ mit gewirkt, die eines der Motive in der Ausstellung bildet. „Wiedererkannt habe ich mich aber leider nicht“, schmunzelte die gebürtige Amerikanerin.

Das dürfte im Einzelfall auch schwierig sein. Denn Stuke fotografiert mittels Langzeitbelichtung und einer speziellen Kamera eine ganze Aufführung auf einem Bild.

Aber auch die Feierlichkeiten kamen nicht zu kurz. Bei Schampus und ausgefallenen Snacks genossen die Gäste die Hallenarie aus der Zauberflöte, die von Hans Griepentrog dargeboten und von der Pianistin Kanako Nakagawa begleitet wurde. Ab sofort ist der Kronenboden dem Publikum zugänglich. Nähere Informationen gibt es unter www.kronenboden.de. Michael S. Zerban, 3.3.2008