Die tote Stadt

von  Sonja Blattner
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Im Moloch der Meditation. Stadt pulsiert, lebt, unaufhörlich, ununterbrochen. Wie kann ein solcher Ort zum Mittelpunkt der Meditation, des Innehaltens werden, eine „Kirche des Gewesenen“ gar? Im Kronenboden gibt die Künstlerin Sonja Blattner ab Ende September mit ihren Skulpturen und Gemälden in einer neuen Ausstellung Antworten darauf. Erinnerungen an Korngolds „Die tote Stadt“ sind erwünscht. „Die tote Stadt“, von Erich Wolfgang Korngold komponierte und 1920 in Hamburg und Köln uraufgeführte Oper erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich nach dem Tod seiner Frau in ein Zimmer in Brügge – die „Kirche des Gewesenen“ – zurückzieht, um sich der Trauer hinzugeben. In seinem Rückzug, seiner Meditation, seinem Innehalten erscheint eine andere Frau, die ihm seine wahre Liebe abverlangt. Das endet mit dem Tod der Frau und dem Abschied des Protagonisten von der Stadt. Rückzug, Flucht aus dem Moloch als Lösung? Sonja Blattner bezieht einen anderen Standpunkt. Aus ihrer Sicht ist gerade die Stadt mit ihren dunklen Straßenzügen der Rückzugspunkt, um zur Ruhe zu kommen, einen Ru-hepunkt zu finden. In der ganzen Zerrissenheit, im Auseinanderfallen, ist nicht die Abkehr von der Stadt die rechte Lösung, sondern das sich Einlassen, die Hinwendung verspricht die wahre Meditation. Wie viel Farbe verträgt eine solche Betrachtungsweise? Auch darauf hat Blattner eine überraschende Antwort. Sie zitiert Matisse: „Schwarz ist die Farbe des Lichts.“ Schwarz saugt das Licht in sich auf und glänzt und leuchtet so viel mehr als alle anderen Farben. In dieser Welt scheinbarer Widersprüche präsentiert sich das Werk Blattners als Aufbruch in neue Denkweisen – und da findet sie wieder mit Korngold zusammen. Sonja Blattner, geboren 1955 in Konstanz, hat Philologie in Mainz studiert. Nach dem Studium der Malerei an der Hochschule der Künste Berlin wurde sie 1996 zur Meisterschülerin Karl-Heinz Herrfurths ernannt. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Text: Michael S. Zerban

Die tote Stadt